Digitalisierung, globale Interaktion, veränderte Vorstellungen von Beruf und Karriere – viele Unternehmen versuchen, mit einer innovativen Gestaltung des Arbeitsumfeldes auf diese Veränderungen einzugehen. Ein Unternehmen ist auf diesem Feld weit voraus und hat für seine rund 1.000 Mitarbeiter am Stammsitz New York das „World’s Most Connected Office“ geschaffen.

Faszinierend sind aber nicht nur Architektur und Ausstattung, sondern auch die dahinterstehende Geschäftsstrategie.

Zum Unternehmen

Es ist die weltweit tätige US-Werbe- und Digitalagentur R/GA. Von den Brüdern Richard and Robert Greenberg 1977 gegründet, hat sie heute 14 Niederlassungen in acht Ländern und gilt in Branchenkreisen als eine der innovativsten Agenturen überhaupt. Und „innovativ“ bezieht sich dabei nicht nur auf Inhalte. Vielmehr entwickelt R/GA auch immer wieder pionierhaft neue Produktionstechnologien – und inzwischen sogar Produkte für seine Kunden (z.B. den Fitnesstracker „Fuelband“ für Nike).

Im Januar dieses Jahres hat R/GA seine neue Firmenzentrale im Herzen von New York bezogen – auf zwei Stockwerken (durch eine riesige Treppe verbunden) und mit einer Gesamtfläche von fast 18.600 m2 (die Fläche ist so groß, dass Hinweisschilder wie auf Flughäfen den Weg weisen). Architekten waren „Foster and Partner“, also das Büro des Stararchitekten Sir Norman Foster.

Die wesentliche Zielsetzung

Die neue Firmenzentrale sollte ein Musterbeispiel für das innovative Konzept des „Connected Design“ sein, das Unternehmen und Mitarbeitern in einer digitalen, vernetzten Welt die besten Arbeits- und Kommunikationsbedingungen bietet. So sollten z.B. die Mitarbeiter von R/GA in New York bei der Videokommunikation mit ihren Kollegen aus Shanghai oder Stockholm das Gefühl haben, „persönlich nebeneinander zu sitzen“. Zudem sollten Architektur und Einrichtung auf Anhieb die „Identität und Einzigartigkeit“ von R/GA deutlich machen.

Besonderheiten der Architektur und Einrichtung

Die durchgehend offenen und freien Räume haben eine enorme Höhe und sind gleichzeitig „angehoben“, so dass sich unter ihnen die gesamte elektrische und digitale Infrastruktur verbirgt (bislang sind 180 km Datenkabel verbaut).

Licht spenden über 8.000 intelligente Leuchtmittel, deren Helligkeit und Farbtemperatur sich an den Jahreszeiten orientiert und die auch in der Mitte der Räume das Gefühl erzeugen, bei Tageslicht zu arbeiten. Böden und Decken sind mit speziellen Materialien ausgestattet, die Lärm absorbieren, gleichzeitig aber eine am Arbeitsplatz angenehm empfundene „Geräuschkulisse“ zulassen.

Feste Schreibtische findet man nicht. Stattdessen gibt es für die Mitarbeiter 1.000 mobile Arbeitsplätze mit Rollen, an denen man sitzend oder im Stehen arbeiten kann. Auf einer großen Fläche sind zudem Loungeplätze und „regionale“ Arbeitsbereiche eingerichtet.

Darüber hinaus existiert über die gesamte Bürofläche hinweg ein spezielles Aufhängungs- und Rahmensystem. Mit seiner Hilfe können bei Bedarf an jeder beliebigen Stelle (und in jeder beliebigen Größe) schnell und unkompliziert abgeschirmte Besprechungsräume geschaffen (und anschließend wieder aufgelöst) werden.

Und natürlich sind auch ausreichende Produktionsstudios integriert, in denen an bis zu neun Filmproduktionen gleichzeitig gearbeitet werden kann.

„Everything we look at

[in the design], we want to be sure it’s helping with collaboration, integration, and networking—things that will really move us forward“, so beschreibt es CEO und Chairman Bob Greenberg.

Aber es gab noch drei weitere Zielsetzungen

Erstens soll das neue Konzept die besten „Köpfe“ anziehen und binden, in dem es ihnen die besten Arbeitsbedingungen ihrer Karriere bietet und ihnen so Spitzenleistungen ermöglicht. Greenberg: „The most important goal was to retain employees. Today the competition for talent isn’t coming from the advertising industry, it’s coming from technology companies like Facebook and Twitter. One of the best ways we can compete is to offer the most creative, collaborative, and innovative workspace.“

Zweitens soll das Arbeitsumfeld ein „lebendes Labor“ darstellen, in dem R/GA neue Internet-Tools, Apps und Instrumente der Bürokommunikation entwickeln und testen kann.

Drittes: Der gesamte Komplex und seine Ausstattung sollen dazu dienen, Expertise und Kompetenz bei der Gestaltung neuer, hochfunktionaler Arbeitskonzepte und Arbeitsräume aufzubauen – und dieses Know-how als neue Beratungsleistung gegenüber Kunden zu etablieren (eben unter der Überschrift „Connected Design“).

Und spätestens hier wird der holistische Ansatz deutlich: Schon jetzt macht die klassische Werbung nur noch 60% der Profits von R/GA aus. 30% stammen aus dem Bereich Produktentwicklung und 10% aus der Beratung.

Fazit

Natürlich beschreiten auch viele renommierte Unternehmen in Deutschland neue Wege. Lufthansa hat vor wenigen Wochen in der Frankfurter Firmenzentrale auch eine „Kulturrevolution“gestartet und die festen Arbeitsplätze durch mobile ersetzt. (Allerdings eher nach dem Prinzip „Reise nach Jerusalem“ – es gibt ein Drittel weniger Plätze als Mitarbeiter.) Und Siemens hat seine neue Firmenzentrale in München insgesamt auf beeindruckende Weise neu gestaltet.

Gleichwohl stellt R/GA doch einen besonderen Fall dar. Erstens aufgrund der Innovationskraft, Konsequenz und Detailversessenheit bei der Planung und Umsetzung. Zweitens aufgrund des unmittelbaren Bezuges zu einer digitalen und vernetzten Welt. Und drittens aufgrund der beschriebenen ganzheitlichen Strategie des Modells, bei der alle relevanten Größen gleichzeitig bedacht werden – die Gewinnung und Bindung der „besten Köpfe“, die Steigerung der Produktivität und Leistungsqualität und die Schaffung eines neuen, profitablen Geschäftsfeldes „office design“.

Wenn Sie mehr über R/GA und die Konzeption und Arbeitswelt „Connected Design“ erfahren möchten, dann finden Sie hier die entsprechenden Informationen und Quellen:
www.rga.com/offices/new-york/about
Artikel: forbes.com, 23.5.2016 / adage.com, 6.7.2016 / fastcodedesign.com, 12.7.2016
Foto: © R/GA

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